Fit für die Zukunft – Berufskollegs als wichtiges Schulangebot stärken
Wie kann die Stadt Bielefeld die Bildungsarbeit der Bielefelder Berufskollegs unterstützen?
Die Bielefelder Berufskollegs sollen kontinuierlich weiterentwickelt werden. Die städtischen Berufskollegs sind mit über 16.000 Schüler*innen das größte System zur beruflichen Qualifikation von Jugendlichen und jungen Erwachsenen in Bielefeld. Sie zeichnen sich in besonderem Maße durch Vielfalt aus: Eine große Anzahl verschiedener Bildungsgänge (über 200), das Angebot unterschiedlichster allgemeinbildender und berufsbildender Schulabschlüsse sowie eine hohe Heterogenität der Schülerschaft sind an den Berufskollegs Normalität, etwa im Hinblick auf einen Migrationshintergrund, den Bildungsstand, den sozialen Status, die Altersstruktur und den Wohnort. Auch ein sonderpädagogischer Unterstützungsbedarf eines Teils der Schüler*innen ist Ausdruck der Heterogenität. Zudem tragen die Berufskollegs in erheblichem Umfang zum Erwerb von ersten und aufbauenden allgemeinbildenden Schulabschlüssen von Jugendlichen bei. Somit sind sie zentraler Akteur der Integration von Jugendlichen in den Arbeitsmarkt und leisten damit einen entscheidenden Beitrag zur gesellschaftlichen Integration junger Menschen, nicht nur in Bielefeld, sondern auch in den angrenzenden Kreisen in der Region OWL. Der Schul- und Sportausschuss der Stadt Bielefeld hat deshalb das Amt für Schule beauftragt, einen Ganzheitlichen Schulentwicklungsplan für die Bielefelder Berufskollegs zu erstellen.
Zukünftige Herausforderungen
Zukünftige Herausforderungen betreffen insbesondere die qualitative Gestaltung der Berufskollegs im Hinblick auf deren Attraktivität und öffentliche Wahrnehmung, die bestehenden Unterstützungs- und Beratungsstrukturen sowie die Rahmenbedingungen für einen gelingenden Umgang mit Heterogenität und die Aufstellung der Berufskollegs als inklusive Schulen. Der nun veröffentlichte Bericht ist eine differenzierte und fortschreibungsfähige empirische Grundlage zur Weiterentwicklung dieser wichtigen Schulform. Darüber hinaus werden – analog zur Schulentwicklungsplanung der allgemeinbildenden Schulen aus dem Jahr 2021 – qualitative Ziele der Schulentwicklung für die städtischen Berufskollegs definiert, die aus der Analyse der derzeitigen Gegebenheiten, auf bildungswissenschaftlichen Erkenntnissen sowie auf den Ergebnissen des dialogischen Prozesses mit externen Expert*innen der beruflichen Bildung und den Schulleitungen basieren. Daraus ergeben sich Handlungsempfehlungen für den Schulträger, die einerseits die räumliche Gestaltung der Berufskollegs und deren Außengelände betreffen und andererseits Personalbedarfe im Bereich des beratenden und unterstützenden Personals markieren. Der Ganzheitliche Schulentwicklungsplan für die Bielefelder Berufskollegs zeigt Perspektiven und Empfehlungen für die Entwicklung dieser Schulform bis zum Jahr 2030 auf.
Inhalt
1 Einleitung
2 Struktur und Angebot der Berufskollegs
3 Schulentwicklungsplanung für die städtischen Berufskollegs
Die sechs städtischen Berufskollegs im Portrait – Daten, Bedarfe und Entwicklungsperspektiven
– Carl-Severing Berufskolleg für Metall- und Elektrotechnik
– Carl-Severing Berufskolleg für Wirtschaft und Verwaltung
– Carl-Severing Berufskolleg für Handwerk und Technik
– Maria-Stemme-Berufskolleg
– Rudolf-Rempel-Berufskolleg
– Berufskolleg Senne
4 Qualitative Ziele der Schulentwicklung – Herausforderungen für die Zukunft
– Attraktivität der Berufskollegs: Öffentliche Wahrnehmung und Positionierung im Verhältnis zur akademischen Bildung
– Ausbildung stärken: Potentiale von Berufsorientierung und Beratung
– Heterogenität als Normalfall: Das Berufskolleg als inklusive Schule
– Exkurs: Bildung für nachhaltige Entwicklung (BNE)
5 Zusammenfassung und Ausblick
Die zentralen Ergebnisse
Vor dem Hintergrund allgemeiner gesellschaftlicher Entwicklungen (z.B. Digitalisierung, Akademisierung) sowie nach Einschätzungen von Expert*innen wird bis zum Jahr 2030 von etwa gleichbleibenden Schülerzahlen an den Bielefelder Berufskollegs ausgegangen. Dieses wird auch durch die Schülerzahlentwicklung der letzten 5 Jahren unterstützt. Dennoch wird eine kontinuierliche Beobachtung der Entwicklung der Schülerzahlen empfohlen.
Attraktivität und öffentliche Wahrnehmung: Berufskollegs als Campus gestalten und attraktiven Bildungsort etablieren
Im Zusammenhang mit dem postulierten Attraktivitätsverlust der dualen Ausbildung wird eine verstärkte öffentliche Wahrnehmung und eine Vernetzung der Berufskollegs mit den Schulen und Hochschulen nötig. Die Berufskollegs sollten vor dem Hintergrund des absehbaren Fachkräftemangels als attraktiver Bildungsort in der Öffentlichkeit zur Geltung kommen.
Empfehlungen:
- Die Berufskollegs werden als Campus-Standorte konzeptioniert (Campus Mitte und Campus Rosenhöhe/Süd). Dieses beinhaltet:
- Campus Mitte: Bau eines multifunktionalen Forums zur gemeinsamen Nutzung für Begegnung, Essen, Veranstaltungen, Ausstellungen etc. auf dem Gelände. Dazu zählen auch Räumlichkeiten für ein gemeinsames Beratungszentrum (z.B. durch Agentur für Arbeit, Jobcenter) und Räumlichkeiten für eine Berufskolleg-übergreifende Wissenswerkstatt / Projektarbeit; Renovierung des Wetterhauses auf dem Gelände Campus Mitte
- Campus Süd: Erstellen eines Konzepts zur gemeinsamen Nutzung der vorhandenen Räumlichkeiten, die derzeit bereits – auch in Kooperation mit der Gesamtschule Rosenhöhe – gemeinsam genutzt werden (z.B. Bistro, Aula)
- Optimierung des ästhetischen Eindrucks der Standorte: Instandsetzungs- und Reinigungsarbeiten an den bestehenden Gebäuden und am Außengelände (z.B. Fassaden, Statuen)
- Schaffen von ausreichend überdachten Fahrradabstellmöglichkeiten auf beiden Campusgeländen vor dem Hintergrund der besonderen Bedeutung der Bildung für nachhaltige Entwicklung (BNE) und der Förderung der Klimaziele der Stadt Bielefeld
- Entwicklung eines Marketingkonzepts für beide Standorte
- Die Kooperation der Berufskollegs mit den Bielefelder Hochschulen und Schulen der Sekundarstufe I wird ausgebaut.
- Es wird ein Online-Informationsportal (Chancenportal Bielefeld) zum Themenfeld ´Anschlussmöglichkeiten und berufliche Orientierung nach der Sekundarstufe I` für Schüler*innen, Eltern und Beratende etabliert.
- Die Berufskollegs werden bei der positiven Außendarstellung durch den Schulträger vermehrt unterstützt, z.B. auf digitalen Kanälen oder in jährlichen Veranstaltungen wie „Wohin nach der Grundschule?“ und „Wohin nach der Sekundarstufe I?“
- Die Vernetzung der Berufskollegs untereinander wird gefördert.
Unterstützungs- und Beratungsstrukturen: Kooperation und Bildungsverlaufsberatung
Um die Berufskollegs und die duale Ausbildung zu stärken, werden Potentiale im Bereich der Unterstützung- und Beratungsstrukturen verortet.
Empfehlungen:
- Die berufliche Orientierung an Gymnasien, insbesondere im Bereich der Sekundarstufe II und die Zusammenarbeit mit den allgemeinbildenden Schulen wird gestärkt. Der Schulträger initiiert und begleitet gemeinsam mit der Kommunalen Koordinierung bei Bedarf ein jährliches Austauschtreffen zwischen den Schulen mit einer Sekundarstufe I und den Berufskollegs. Ergänzend bietet der Schulträger in Kooperation mit der Kommunalen Koordinierung als Äquivalent zur Veranstaltung „Wohin nach der Grundschule?“ eine Veranstaltung „Wohin nach der Sekundarstufe I?“ an. In diesem Rahmen können die Berufskollegs ihre Möglichkeiten darstellen. Der Schulträger informiert auf der Homepage „Bildung-in-Bielefeld.de“ jährlich über die Möglichkeiten der beruflichen Gymnasien und zu freien Plätzen.
- An den Berufskollegs wird eine Bildungsverlaufsberatung und Begleitung der schulischen Ausbildung durch spezifische Schulsozialarbeit mit Fokus auf das Übergangsmanagement etabliert. Die Schulsozialarbeit nimmt eine Lotsenfunktion für Schüler*innen ein, die bei der Orientierung innerhalb der Berufskollegs Unterstützung benötigen. Die Lotsen beraten zu Anschlussmöglichkeiten und bei Problemen innerhalb eines Ausbildungsgangs. Sie werden somit auch zur Vermeidung von Ausbildungsabbrüchen eingesetzt.
- Die Transparenz der bisherigen Beratungsstrukturen und die Vernetzung der Angebote wird durch eine Koordinierungsstelle überprüft. Diese ermittelt mögliche Schwachstellen im Beratungsnetzwerk und übernimmt zugleich eine Schnittstellenfunktion, ist also zentrale/r Ansprechpartner*in für alle Beratungsbedarfe im Rahmen der beruflichen Bildung in Bielefeld.
Umgang mit Heterogenität und die Aufstellung der Berufskollegs als inklusive Schulen
Der Umgang mit heterogenen Schülerschaften ist an Berufskollegs der Regelfall. Das Berufskolleg ist insgesamt noch stärker auf das gemeinsame Lernen in heterogenen Gruppen auszurichten. Der Schulträger kann die räumlichen Bedingungen für Lernen in heterogenen Gruppen verbessern und den Zuschnitt von Unterstützungsmaßnahmen anpassen bzw. unterstützendes Personal zur Verfügung stellen.
Empfehlungen:
- Umgestaltung der Räumlichkeiten für inklusive Schulen – Prüfung der Räumlichkeiten und Erstellen veränderter Nutzungskonzepte mit Blick auf Heterogenität der Schülerschaft durch eine Schulraumberatung. Diese Beratung überprüft mit Blick auf die Bedarfe die Nutzbarkeit von Verkehrsflächen durch Umgestaltung/Möblierung, die Notwendigkeit und Machbarkeit von Um- und Anbauten sowie die ästhetische Aufwertung durch Beleuchtung, Farbgebung, Möblierung und Reinigung (z.B. Fassaden).
- Ausbau der Schulsozialarbeit an den Berufskollegs, mit dem Ziel, das Gelingen von Übergängen innerhalb des Berufskollegs und schließlich einen Berufsabschluss zu ermöglichen (s. o.).
- Niedrigschwelliger Zugang zu schulpsychologischer Unterstützung, um möglichst frühzeitig auf psychische Krisen reagieren zu können, die unbearbeitet den Bildungserfolg beeinträchtigen. Es sollte eine psychologische Beratung vor Ort vorhanden sein, um möglichst frühzeitig auf psychische Krisen reagieren und wenn nötig in weitere Unterstützungsangebote außerhalb der Berufskollegs vermitteln zu können. Bei der Regionalen Schulberatungsstelle sollen daher zwei Stellen für Schulpsycholog*innen angesiedelt werden, die ausschließlich für die Berufskollegs zuständig und hauptsächlich auf dem Campus verortet sind.
Derzeit wird aufgrund der Empfehlungen des Ganzheitlichen Schulentwicklungsplans für die allgemeinbildenden Schulen an einer Konzeption für ein Bielefelder Beratungs- und Unterstützungszentrum gearbeitet. Die Konzeption sollte auch die Bedarfe der Berufskollegs berücksichtigen und perspektivisch auch Ressourcen für die Beratung von Eltern, Schüler*innen und Mitarbeiter*innen der Berufskollegs zur Verfügung stellen.
Um sicherzustellen, dass der aktuelle Stand der bildungswissenschaftlichen Diskussion abgebildet wird und um aktuelle Perspektiven auf die Gestaltungsmöglichkeiten des Schulträgers einfließen zu lassen, wurde das Amt für Schule während der Erstellung dieses Schulentwicklungsplanes durch eine Expertinnengruppe beraten. Die Gruppe setzte sich zusammen aus Vertreterinnen der Bildungswissenschaft, einem Experten für kommunale Schulentwicklungsplanung im Bereich der beruflichen Bildung sowie Vertreter*innen der Handwerkskammer OWL zu Bielefeld und der Industrie- und Handelskammer OWL zu Bielefeld. Es fanden darüber hinaus mehrere Beratungen mit den Schulleitungen der städtischen Berufskollegs statt.
Vor dem Hintergrund der Ziele des Leitbildes Bildung der Bildungsregion Bielefeld Bildungsgerechtigkeit zu fördern, Segregation zu vermeiden und Inklusion zu ermöglichen, wird in der aktuellen Schulentwicklungsplanung erörtert, welche Handlungsmöglichkeiten für den Schulträger – Stadt Bielefeld – bestehen, um diese Ziele auch im Bereich der Berufskollegs zu erreichen. Der Schulträger steht vor der Aufgabe, für die kommenden Jahre den benötigten Schulraum und die dafür erforderlichen Ressourcen im Bereich der Berufskollegs bedarfsgerecht bereitzustellen. Der Schulentwicklungsplanung kommt dabei eine wichtige Funktion zu. Sie dient nicht nur der Planung schulorganisatorischer und schulbaulicher Maßnahmen, sondern stellt darüber hinaus Steuerungswissen für die Errichtung, Änderung und Auflösung von Schulen zur Verfügung. Demnach erforderliche Maßnahmen sind über Gremienbeschlüsse auf den Weg zu bringen und in der Folge unter Umständen der Oberen Schulaufsichtsbehörde (hier: Bezirksregierung Detmold) zur Genehmigung vorzulegen (§ 81 Abs. 3 SchulG NRW).
Die Umsetzung des Ganzheitlichen Schulentwicklungsplans für die städtischen Berufskollegs erfolgt in Abhängigkeit der Entwicklung der Schülerzahlen, rechtlichen Vorgaben und der jeweils aktuellen Haushaltssituation der Stadt Bielefeld. Der Bericht wird in den Schul- und Sportausschuss (23.05.2023) eingebracht.